Chronik

2013: Zwei Ausstellungen zum 75. Geburtstag

Guericke-Gesellschaft in Magdeburg

Anlässlich seines 75. Geburtstages am 20. Dezember stellte Gerhard Staufenbiel zum ersten Mal in seiner Geburtsstadt Magdeburg aus. Mit seinem in den ersten Monaten des Jahres 2013 entstandenen Zyklus von 21 Zeichnungen unter dem Titel »Volumen und Vakuum – Zeichnungen zu Otto von Guericke und Magdeburg« setzt er sich sowohl mit der Gedanken- und Ideenwelt Guerickes als auch mit dem Schicksal der zweimal zerstörten Stadt auseinander. So wie der bedeutende Wissenschaftler und Diplomat unmittelbar Betroffener der Zerstörung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg war, erlebte Gerhard Staufenbiel die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges.

In seinen Zeichnungen verknüpft Staufenbiel einerseits biographische Momente zwischen Guericke und sich selbst, andererseits sein auf dem menschlichen Körper beruhendes Vokabular mit den Experimentalobjekten Guerickes, so »dass Köpfe und Körper mit den Kugeln und Gefäßen Guerickes zu spielen beginnen«.

Die Ausstellung war im unmittelbar an der Elbe gelegenen Guericke-Zentrum / Lukasklause zu sehen, einem Gebäudekomplex aus Mittelalter-Befestigung, romantischer Mittelalter-Imitation und Moderne, heute zugleich Museum und Bildungszentrum. Die Eröffnung im Rahmen einer Soiree bildete den Auftakt der jährlich stattfindenden internationalen Guericke-Tage, konnte somit rd. 80 Besucher verzeichnen, darunter Prominenz aus Kulturleben und Wissenschaft. Für sie bildete die Eröffnung mit der Einführung des Magdeburger Kunsthistorikers Andreas Hornemann M.A., der Rezitation von Gedichten der Guericke-Zeit durch Joachim Bachmann sowie die Interpretation von Solo-Stücken von Luciano Berio und Toru Takemitsu durch die Flötistin Atsuko Koga ein besonderes Erlebnis.

»Wie zeichnet man ein Vakuum?«

»Den horror vacui (Abscheu vor der Leere), den Otto von Guericke mit seinen Demonstrationen des Vakuums widerlegte, erlebt Gerhard Staufenbiel täglich im Blick auf das leere Blatt Papier. Er könne ihm nur entgehen, indem er es mit Linien und Flecken bedecke, aus denen sich Volumen bilde. In seinen Zeichnungen ›Volumen und Vakuum‹ verknüpft der 74-Jährige bisweilen biografische Momente zwischen Guericke und sich selbst«. Auf diese Momente, erfahren im längeren Gespräch mit dem Künstler, geht Karolin Aertel in ihrem Bericht detailliert ein, der zum »Aufmacher« der Lokalseite wird. Erinnerungen an die Geburtsstadt: Die Wohnung in der Lübecker Straße, die Luftangriffe, die Flucht aus der zerstörten Stadt, später die aus der DDR. »Obwohl Gerhard Staufenbiel seit über 40 Jahren in Nordrhein-Westfalen lebt, scheut er sich, es als seine Heimat zu bezeichnen. Ebenso wenig wie er Magdeburg als seine Heimat tituliert«. »Ich habe nie das Gefühl der Verwurzelung an einem Ort entwickeln können«, zitiert Aertel ihn. »Wenn ich etwas als meine Heimat bezeichnen kann, dann die Kunst«. Nach Magdeburg komme er gern, die Stadt sei schließlich Teil seiner Lebensgeschichte. Dabei habe es mehr als 40 Jahre gedauert, überhaupt zurückzukehren, berichtet Karolin Aertel. Sie geht auf Staufenbiels regelmäßige Besuche in Magdeburg ein, insbesondere  zum Besuch der Kaiser-Otto-Ausstellungen, die Entdeckung der Guericke-Sammlung in der Lukasklause, den Kontakt mit der Guericke-Gesellschaft, der schließlich zu der Ausstellung führte.

(»Volksstimme« vom 18.11.2013) 

Zwei regionale Fernsehsender berichteten über die Ausstellung:

Stefan Richter geht detailliert  auf die Intentionen Gerhard Staufenbiels ein und fängt mit der Kamera nahezu alle Zeichnungen, auch im Detail, ein.

www.mdf1.de (zurückblättern zur Woche vom 18.11.13–24.11.13, Fr. anklicken)

Im Interview mit Salka Schallenberg erzählt Gerhard Staufenbiel über seine Beschäftigung mit dem menschlichen Schädel, den anatomischen Zeichnungen Leonardos und der Verbindung, die er zu den Gerätschaften Guerickes in den – auch im Video – gezeigten Zeichnungen herstellte.

http://www.kulturmd.de/index.php/kultur-sport/208-ausstellung-gerhard-staufenbiel

 

Galerie Jesse in Bielefeld

Ein Querschnitt durch das Schaffen Gerhard Staufenbiels war von Mitte Dezember 2013 bis Mitte Januar 2014 in der Galerie Jesse in Bielefeld zu sehen sein. Claudia und Dr. Jürgen Jesse zeigten eine Auswahl von über 30 Arbeiten aus fünfzig Jahren von den kleinen farbigen Abstraktionen bis zu Zeichnungen des Jahres 2012, darunter auch eine Anzahl der sonst kaum ausgestellten ein- und mehrfarbigen Holzschnitte. Zur Einführung sprach der Publizist und Schriftsteller Ulrich Schmidt.

»Der Schädel als Symbol der Vergänglichkeit«

Das »Westfalen-Blatt« sieht die Ausstellung als »kleinen, aber feinen Querschnitt«. »In einem intensiven Schaffensrausch hat Staufenbiel […] den Kopf in unterschiedlichen Techniken unter die Lupe genommen. Manche seiner zart kolorierten, fragilen Aquarelle wirken wie gläserne Gebeine […] Konturen wie Augen, Mund und Kiefer arbeitet Staufenbiel zumeist klar heraus. Bestimmte Farbflächen und Binnenstrukturen erzeugt der Künstler mittels zart verlaufender Farbe, wobei das Prinzip des kontrollierten Zufalls nicht selten mit in den Schaffensprozess einfließt und so das Feld der freien Assoziation erweitert. […] Die Werke, die in Holzschnitttechnik gearbeitet sind, wirken wie medizinische Längsschnitte, die Blutgefäße oder Lymphbahnen freizulegen scheinen. […] In einer Reihe von farbigen Holzschnitten hat der Künstler den Totenschädel klar herausgearbeitet. Die Serie kann als Symbol oder gar als ›memento mori‹ gelesen werden«.

(»Westfalen-Blatt« vom 14.12.2013)

»Kunst ist Kopfsache«

Claudia Viotto stellt in ihrer Rezension in der »Neuen Westfälischen« fest: »Die Ausstellung ermöglicht dem Besucher, den Weg zurückzuverfolgen, auf dem […]  der Künstler sein Hauptthema fand. Von den ersten abstrakten Kompositionen an, die anfangs informell, dann konstruktivistisch beeinflusst waren und später expressiver wurden […]«,  über ein Aquarell von 1976, »auf dem der Schädel noch nicht deutlich als solcher zu erkennen ist, sondern scheinbar ein mit dem Pinsel gemalter erdbrauner Fleck«. […] »Schrecken löst auf Anhieb eine Reihe von zweifarbig-roten Holzschnitten von Totenköpfen aus, die, frontal abgebildet, den Betrachter aus leeren Augenhöhlen anzustarren scheinen«. Zu zwei neueren Arbeiten ist zu lesen, dass die als Verstorbene gesehenen »zufrieden wirken wie Schlafende. Surreal mutet an, dass jeweils eine Blume am Schädel des Toten hochrankt und offenbar mit ihm verwächst; die magnolienartigen Blüten am Schädel und der Stiel in einer Doppelfunktion als Pflanzenteil und als Rückenmarksäule des Toten«

(»Neue Westfälische« vom 19.12.2013)